Die Innen- und Justizminister der Europäischen Union (EU) vereinbarten gestern auf einem informellen Treffen in Cannes eine weitere Verschärfung der Abschottungspolitik gegen Flüchtlinge und Migranten. Der seit 1. Juli 2008 für ein halbes Jahr als EU-Ratspräsident amtierende französische Staatschef Nicolas Sarkozy erklärte, die Begrenzung »erlittener« Einwanderung habe Priorität. Sarkozy bereitete einen »Einwanderungspakt« vor, über den im Oktober formell abgestimmt werden soll.
Der Pakt läuft auf eine weitere Perfektionierung der menschenrechtswidrigen Ausgrenzungspolitik hinaus, mit der die Festung Europa unzugänglich gemacht werden soll. Ziele sind ein »besserer Schutz« der EU durch die »Solidarität beim Grenzregime«, die Steuerung der legalen Migration, eine effektive Abschiebepolitik und der Aufbau eines »harmonisierten Asylsystems«. »Die EU hat nicht die Mittel, um alle würdig zu empfangen, die in ihr ein Eldorado sehen«, begründete Sarkozy den Schritt. Der Unterstützung des deutschen Innenministers Wolfgang Schäuble (CDU) kann er sich sicher sein. Im Deutschlandradio bekräftigte er, »die Bekämpfung der illegalen Migration und eine Steuerung der legalen Migration« könnten die Europäer besser gemeinsam machen.«
Mehr Mittel für Frontex
Der sogenannte Einwanderungspakt sieht raschere Abschiebungen und die Stärkung der europäischen »Grenzschutzagentur« Frontex vor. Schon jetzt wehrt Frontex mit polizeilichen und militärischen Mitteln Flüchtlinge im Atlantik und Mittelmeer sowie an den neuen Schengen-Außengrenzen ab. Flüchtlingsorganisationen wie Pro Asyl halten die Methoden für menschenrechtswidrig, weil Frontex keine Weiterreise auf EU-Gebiet zuläßt und somit verhindert, daß überhaupt Asylanträge gestellt werden können. Schäuble sieht in dem Verbund eher eine humanistische Mission: Frontex habe natürlich auch die Aufgabe, an den Außengrenzen zu verhindern, daß Menschen sterben«, behauptete der deutsche Innenminister. »Deswegen«, so Schäuble, »haben wir schon im vergangenen Jahr Hubschrauber der Bundespolizei zur Verfügung gestellt. Für Einsätze der Kontrolle der Grenzen am Mittelmeer, aber natürlich auch zur Rettung von Menschen, die durch illegale Schleuser in Lebensgefahr gebracht worden sind«. Sarkozy verlangt nun eine zusätzliche Aufstockung der eingesetzten Schiffe und Hubschrauber.
Um von der »erlittenen« zur »gewünschten« Einwanderung zu kommen, sollen auch die Aufenthaltsgenehmigungen von Beschäftigten begrenzt werden. Die Organisation der Einwanderung müsse »den Aufnahmekapazitäten angepaßt werden, vor allem was den Arbeitsmarkt betrifft«, heißt es im Entwurf des »Einwanderungspaktes«. Durch verstärkte Zusammenarbeit mit den nordafrikanischen Staaten soll der »Einwanderungsdruck« gesenkt werden. Diesem Ziel dient die Gründung einer Mittelmeerunion.
Ausschuß innere Sicherheit
Abgeschwächt wurde immerhin Sarkozys Absicht, ein Legalisierungsverbot vorzuschreiben. Angeblich leben derzeit acht Millionen Illegalisierte in der EU. Spanien beharrte darauf, Legalisierungsmöglichkeiten beizubehalten. Auf der iberischen Halbinsel waren in der boomenden Bauwirtschaft Migranten als billige Arbeitskräfte sehr willkommen. Wenn der Boom inzwischen auch nachgelassen hat, will sich Spanien von der EU das Recht nicht nehmen lassen, aus dem »Nützlichkeitsprinzip« heraus Aufenthalte zu legalisieren. Mit Humanität hat das nichts zu tun, sondern allein mit wirtschaftlichen Erwägungen. Die geänderte Passage lautet: »Der Europäische Rat kommt überein, sich im Rahmen der nationalen Gesetze auf fallweise und nicht allgemeine Regularien aus humanitären oder wirtschaftlichen Gründen zu beschränken.« Der spanische Innenminister Alfredo Perez Rubalcaba kündigte daraufhin die Zustimmung zu dem Pakt an.
Vorgesehen ist auch die Einrichtung eines »Ausschusses für innere Sicherheit« (Comité de Sécurité intern/COSI). Die französische Ratspräsidentschaft soll einen Vorschlag erarbeiten, der Strukturen und Stärkung der operativen Zusammenarbeit zwischen den Behörden der Mitgliedsstaaten enthalten soll. Dabei soll ein möglichst weiter Begriff der »inneren Sicherheit« zugrunde gelegt werden, der auch den Katastrophenschutz und alle anderen Bereiche »mit Bezug zu innerer Sicherheit« umfassen soll. Dazu zählt Schäuble auch die Bekämpfung der »illegalen Migration«.