Artikel: Verharmloste Gefahr von Rechts
(erschienen in Ossietzky, 01.2010)
Von rassistisch und faschistisch motivierten Straftaten berichtet die landesübliche Konzernpresse selten – immer seltener. Es hat den Anschein, als wäre diese Kriminalität auf ein unbedeutendes Maß geschrumpft. Aber die Gefahr von Rechts hat nicht nachgelassen. Auf Kleine Anfragen der Fraktion Die Linke meldete die Bundesregierung von Anfang Januar bis Ende September 11.000 solcher Delikte, noch etwas mehr als ein Jahr zuvor; die Zahlen für das ganze Jahr werden erst im kommenden Frühjahr bekanntgegeben. Bei den offiziellen Angaben ist zu berücksichtigen, daß viele Delikte gar nicht in die Statistik gelangen. Opfer faschistischer Übergriffe trauen sich oft nicht, Anzeige zu erstatten, und viele Polizeidienststellen und Landesbehörden vertuschen rechte Gewalttaten als unpolitische Streitigkeiten unter Jugendlichen. Doch schon die jetzt vorliegenden Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Selbst der Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, spricht von einem »Rekordniveau«. Mindestens 528 Personen wurden 2009 in den ersten neun Monaten bei rassistisch und faschistisch motivierten Angriffen verletzt. Zudem geschah ein weiterer Mord: Am 1. Juli erstach Axel W. die im dritten Monat schwangere Ägypterin Marwa Al-Sherbini im Dresdner Landgericht (s. Ossietzky 22/09). Die Muslimin hatte ihn angezeigt, weil er sie unter anderem als »Terroristin« beleidigt hatte. Ein Polizist schoß dem Mann der Getöteten ins Bein, weil er den Ägypter und nicht Axel W. für den Angreifer hielt. Der von den Medien angeheizte Islamhaß – die Marschmusik der neuen Kolonialkriege des Westens in Afghanistan, Irak, Pakistan, Jemen und so weiter – zeigt seine blutigen Folgen auch in Deutschland.
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